Bündnis „Willkommen in Döbeln“ steht auf der Kippe

Beim bürgerschaftlichen Bündnis „Willkommen in Döbeln“ läuft die Förderung aus. Damit könnte ein Grundpfeiler bei der Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge und bei der Migrationsberatung wegbrechen. Doch wer berät die Menschen dann?

Mohammad ist Mitte 30 und lebt aktuell noch im Asylbewerberheim in der Döbelner Friedrichstraße. Er befindet sich in einem Asylverfahren. Er möchte bleiben und arbeiten.

In seiner syrischen Heimat hat er Maschinenbau studiert. Mohammad spricht gut englisch und Fragmente deutsch. Damit er den Deutschen nicht auf der Tasche liegt, sucht er die Hilfe des Bündnisses „Willkommen in Döbeln“.

Dort werden seit sieben Jahren eine Migrationsberatung und das Projekt „Formularlotse“ angeboten. Das hilft Flüchtlingen, aber auch Deutschen, etwa mit Leseschwäche, durch den Formular- und Behördendschungel.

Doch das zuletzt für drei Jahre bewilligte Projekt läuft zum Jahresende aus. Ob es weitergeht, steht auf der Kippe. Erst im Frühjahr 2024 wird über ein neues Förderprogramm entschieden.

Hilfe zum selbstständigen Leben

„Wir helfen in unserem Projekt den Menschen, bei uns auf die Beine zu kommen und ihr Leben bei uns schnellstmöglich und vor allem selbstständig bestreiten zu können“, sagt Hartmut Fuchs, Projektleiter bei „Willkommen in Döbeln“.

Im Falle von Mohammad heißt das Hilfe bei der Wohnungssuche, bei der Arbeitssuche, beim Übersetzen seiner Studienzeugnisse. In anderen Fällen hilft die Beratung bei Papieren fürs Jobcenter, Dokumente für Kindertagesstätten und den Schulbesuch der Kinder.

„Ohne uns wären viele der Migranten in unserer Stadt nicht in Arbeit“, so Fuchs. „Wir helfen ihnen seit Jahren erfolgreich, ihre Leben hier selbst zu organisieren und vor allem selbst zu bestreiten.“

Ende 2022 lebten in Döbeln 1827 Ausländerinnen und Ausländer. Darunter waren etwa 700 EU-Bürger, die hier im Rahmen der EU-Freizügigkeit leben und arbeiten. 250 kamen aus Drittstaaten als Studenten sowie über ihre Firmen. Knapp 900 waren Asylsuchende und Geflohene. Die Hälfte davon aus der Ukraine.

Beim Bündnis „Willkommen in Döbeln“ wurden allein im vergangenen Jahr 1300 Beratungen durchgeführt, davon 900 in der Migrationsberatung und 300 im Projekt Formularlotse. Heruntergerechnet auf die Arbeitswochen im Jahr kommen so 30 Beratungen pro Woche zusammen, zehn bis zwölf sind es pro Beratungstag.

Das alles ist nicht allein im Ehrenamt zu bewältigen. Deshalb besteht das Projekt aus vier mit Fördergeld finanzierten Stellen: einer Projektleitung mit 35 Wochenstunden, der 20-Stunden-Stelle einer Migrationsberaterin und zwei Formularlotsen mit je zehn Stunden bezahlter Wochenarbeitszeit.

All das könnte zum Jahresende zusammenbrechen. Denn die Förderung läuft aus. Erst vier Monate später, im April, könnte, wenn der neue Antrag bewilligt wird, eine Anschlussfinanzierung starten. „Es gibt die Hoffnung, dass es weiter geht. Aber der Treibhausverein kann ohne Sicherheiten nicht über vier Monate in Vorleistungen gehen“, sagt dessen Geschäftsführer Clemens Albrecht. Der Verein war mit seinen Erfahrungen 2016 Projektträger für das Willkommensbündnis geworden.

Enttäuschung beim Bürgerbündnis

Projektleiter Hartmut Fuchs ist unterdessen enttäuscht, dass aus der Politik immer weniger Unterstützung kommt. Als 2015/2016 die Flüchtlingskrise begonnen hatte, hatte sich im Kinder-, Jugend-, und Familienzentrum der evangelischen Kirchgemeinde Döbeln ein breites Bürgerbündnis aus Kirchenkreisen, Bürgern und Vereinen gegründet. Der Treibhausverein hatte in diesem Willkommensbündnis seine Strukturen angeboten, um die Arbeit zu professionalisieren.

„In diesen sieben Jahren haben sich Beratungsstrukturen entwickelt, die funktionieren. Die könnten jetzt zerstört werden“, sagt Fuchs. Wenn es das aber nicht mehr gebe, stranden die beratungssuchenden Menschen beim Bürgeramt, beim Amt für Jugend und Familie im Rathaus, im Jobcenter und überall, wo man dem Beratungsbedarf personell und sprachlich nicht gewachsen sein wird, befürchtet er.

„Auch wenn es verständlich ist, dass alle Staaten in Europa und auch Deutschland die ungebremste Migration verhindern wollen, so ist es doch falsch, in dem Zuge die Anfangsunterstützung für jene Menschen, die nun mal da sind, zu kürzen. Wir wollen doch erreichen, dass sie hier auf eigenen Beinen stehen und ihren Lebensunterhalt verdienen können. Das wird gerade akut gefährdet.“

Enttäuscht ist er auch von Döbelns Oberbürgermeister Sven Liebhauser (CDU). Der lehnte eine Empfehlung und ideelle Unterstützung bei der Neuantragstellung von Fördergeld für das Willkommensbündnis ab. Begründung: Man wolle keine weiteren Anreize schaffen. Für Hartmut Fuchs ist das eine Nichtanerkennung von breitem bürgerschaftlichem Engagement in Döbeln.

Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen hatte, hatte eine breite Gemeinschaft aus Döbelner Bürgern, Unternehmen, Wohnungsgesellschaften, Sparkassen, Kirchen, Schulen, Kitas und Vereinen eine breite Hilfe organisiert. Nur mit dieser konnte der Flüchtlingsstrom aus der Ukraine in der Stadt bewältigt und für die Behörden in organisierbare Bahnen gelenkt werden.

So waren alle bis Sommer 2022 in Döbeln ankommenden Ukrainerinnen privat untergebracht und in Wohnungen vermittelt worden, bevor staatliche Strukturen da waren. „Döbeln ist nicht ausländerfeindlich. In krisenhaften Situationen gibt es eine große ehrenamtliche Hilfsbereitschaft“, sagt Hartmut Fuchs.